domingo, 7 de diciembre de 2008


DISSONANZEN DES TECHNISCHEN DASEINS


Eines der besonderen Merkmale des Kinos ist seine Fähigkeit, verschiedene Strukturen, Welten und Ereignisse, die zu verschiedenen Zeitpunkten vorkommen, in Zusammenhang zu bringen. La Question Humaine (2007) ist ein Film, der sich diese Möglichkeit zunutze macht, indem er versucht, die Analogie zwischen den Selektierungsprozessen der Nationalsozialisten und der modernen kapitalistischen Unternehmen zu veranschaulichen.

La Question Humaine, auf deutsch Der Wert des Menschen, ist ein Film des französischen Regisseurs Nicolas Klotz und eine Verfilmung des achten Buches des belgischen Psychiaters und Psychoanalytikers François Emmanuel, erschienen im Jahr 2000. Ein Unternehmenspsychologe verkörpert die Hauptfigur dieser Geschichte, deren Blickwinkel von ihm selbst, gleichzeitig Erzähler, besetzt wird: Simon arbeitet seit mehreren Jahren in Paris bei einer deutschen Firma; seine Leistung im Betrieb ist tadellos gewesen, denn er hat das gemacht, für das er bezahlt worden ist. Nicht nur die Durchführung von Motivationsworkshops gehört zu seinen Aufgaben, sondern auch die Einstellung bzw. eventuelle Entlassung von guten und schlechten Mitarbeitern, je nach Brauchbarkeit. Dabei ist er zufrieden damit, dass er seine Funktion im Betrieb erfüllt und zur dessen Effizienzsteigerung beiträgt.



Bei der Arbeit ist Simon mit seinem makellosen Anzug und seiner ausgewogenen, pragmatischen Haltung zu sehen. Abends dagegen wird er wild und triebhaft und stürzt sich ins Nachtleben. Das Bild des Menschen, das der Regisseur entwirft, erinnert an die innere Leere und die Unfähigkeit zum Fühlen vom Max Frisch´ Homo Faber, genauer gesagt an das Bild eines Homo Oeconomicus, dessen Prinzip die Maximierung allen Nutzens ist, auch wenn die menschlichen Werte wie das Mitgefühl dabei unterworfen werden müssen. Dabei behält die Kamera gegenüber den Charakteren und den Momenten der bloßen Darstellung ihrer Gefühle eine gewisse bemerkbare Distanz.

Simon ist anscheinend beruflich erfolgreich, und trotzdem besteht in ihm eine Dissonanz zwischen seinem Inneren und seinem Äußeren. Solche Dissonanzen können nicht besser zum Ausdruck gebracht werden als durch Musik. Also spielt der Sound in diesem Film eine große Rolle; sie wird mit Bedeutung, ja sogar mit Gefühlen aufgeladen und als etwas Zerstörerisches und gleichzeitig Konstruktives angewendet. Auch die Dialoge sind manchmal poetische Äußerungen existenzialistischer Auseinandersetzungen der Charaktere mit ihrer instrumentalisierten Umwelt. Somit gelingt dem französischen Regisseur Aufmerksamkeit auf den Bruch zwischen Emotionalität und Rationalität dieser betriebswirtschaftlichen Welt zu lenken. Das schafft er nicht nur durch unerwartete Abwechslungen bzw. auffällige Übergänge zwischen dem onscreen- und dem offscreen-Ton, sondern auch durch die Inszenierung rein musikalischer Einstellungen wie z.B. das chaotisch-bewusstlose Tanzen in einer Techno-Disco, wo die verdrängte Triebe Simons durch eine imaginierte opernhafte Stimme seiner begehrten Freundin zum Ausdrück kommen. Außerdem wird ein Fadolied vom spanischen Sänger Miguel Poveda interpretiert; sein Lied ist natürlich sehr existenziell, wie es normalerweise der Fall im Fado-Genre ist. Zuletzt gibt es noch Schubert, die Musik die den Generaldirektor begleitet. Offensichtlich dient diese Verschmelzung bzw. Aneinandersetzen von verschiedenen musikalischen Elementen dem Nachweis einer Aussage des Films:
„Die Musik duldet keine Hierarchie“.




Doch Hierarchie und deren Vormachstellung werden im Film problematisiert. Simons Vorgesetzte beauftragt ihn, den schwachen und veränderlichen Geisteszustand des Generaldirektors Jüst umsichtig zu überprüfen, um herauszufinden, ob er immer noch arbeitsfähig ist. Am Ende stellt Simon fest, dass seine Depression einen grausamen Grund hat: der Generaldirektor bekommt anonyme Briefe, die Sitzungsprotokolle aus dem Nationalsozialismus enthalten. Jüst kann die über seinen Vater erfolgende Verbundenheit mit der Vergangenheit des Nationalsozialismus nicht ertragen und fühlt sich verfolgt von einer Schuldzuweisung, die sich nicht löschen lässt, selbst wenn er sich tausendmal die Hände wäscht. Parallel wird auch Simon eingewickelt und mit seinem Dasein, mit seiner Herangehensweise als Richter über Arbeitskräfte konfrontiert. Schritt für Schritt verliert er seine genau ausgewählte diplomatische Sprache und seine Entschlossenheit, das Betriebsinteresse über die Menschen zu stellen. Über das, was er von Jüst erfährt, kann er seinen Vorgesetzten gegenüber nicht mehr Bericht erstatten. Paradoxerweise fürchtet er sich davor, nicht mehr fühlen zu können, genau in dem Moment, wo er anfängt, Mitgefühl zu entwickeln.



Was die Handlung angeht besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Bedeutung der Verbrechen des nationalsozialisten Regimes umgedeutet bzw. verharmlost werden, indem die Tötungsindustrie des Holocaust mit der systematischen Selektiveren von Arbeitern bzw. der rücksichtslosen Ausführung technischer Restrukturierungsmaßnahmen auf eine Ebene gestellt werden. Trotzdem geht es in diesem Film nicht um die Frage des Nationalsozialismus, sondern um die Frage des Verhaltens des Menschen gegenüber seinen Mitmenschen und sich selbst. Vielmehr ist danach zu fragen, ob die Menschlichkeit durch das Regime der technischen Vernunft im Kapitalismus verschwindet. Dabei sollten wir eher einsehen, dass das Streben nach einem homogeneren hochrationalisierten, mechanisierten Menschenbild kein isoliertes historisches Phänomen ist, sondern dass es in jeder kleinen oder großen Gesellschaft vorkommen kann, mit seinen grauenhaften Folgen; überall da, wo der Mensch vergisst, verdrängt, und per se existiert.

No hay comentarios: